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Fußballgott erschafft zwei Welten
Montag, 27. Mai 2013 - 22:20 Uhr | Kategorie: Fußball | 1. Mannschaft
Fußballer des SV Oberschöna – auf der einen Seite die Dortmund-, auf der anderen Seite die Bayern-Fans – bei der Übertragung des Champions League-Endspiels, Mario Neumann (l.) und René Keller. Foto: Eckardt Mildner
Ausschnitt aus dem Artikel: "Fußballgott erschafft zwei Welten"
Champions League-Finale Samstagabend: Thomas Reibetanz hat in Oberschöna mit den Fans
mitgefiebert, Claudia Kallmeier erkundete die dem Fußball abgewandte Seite Freibergs.
20.15 Uhr
Es kann losgehen: Nachdem die bestellte Pizza über den Umweg Sportlerheim
Brand-Erbisdorf doch noch, wenn auch inzwischen kalt, bei uns in
Oberschöna angekommen ist, und nachdem die Lautsprecher nach langen
Technikdiskussionen doch noch Ton absondern, zählt nur noch Fußball.
20.45 Uhr
Anpfiff: Vor der Leinwand haben sich zwei Blöcke aus Spielern meiner Fußballmannschaft
gebildet. Auf der einen Seite die Fans der Dortmunder, auf
der anderen die Bayern-Anhänger. Bevor ich hier vergeblich versuche, unparteiisch
zu wirken: Ich sitze auf der Dortmunder Seite.
21.08 Uhr
Pure Spannung: Wir sind uns einig: Dieses Fußballspiel ist eines der besten,
was wir seit langem gesehen haben. Bis jetzt war Dortmund klar besser, so
langsam kommen die Bayern auf. Viel geredet wird bei uns nicht. Dafür
werden Fingernägel geknabbert. Als Alternative stehen Chips bereit.
21.35 Uhr
Halbzeit: Die Raucher schwärmen nach draußen, als würden sie keine weitere
Minute ohne Nikotin überleben. Im Nieselregen am Sportplatz werden
Meinungen ausgetauscht. Bis jetzt liegen bei der internen Tipprunde
alle gut im Rennen. Es ist noch alles drin.
21.50 Uhr
Es geht weiter. Nachdem alle noch ein letztes Mal vor der entscheidenden
zweiten Halbzeit auf der Toilette waren, steigt die Spannung. Zaghafte Versuche,
Fangesänge anzustimmen, verebben. Es ist einfach zu spannend, um
sich gegenseitig Lieder um die Ohren zu hauen.
22.05 Uhr
Tor für die Bayern: Es fällt schwer, das Geschehen auf der anderen Seite des
Raumes zu ignorieren. Ich versuche es aber dennoch und schaue stur auf
die Leinwand. Gegenüber hüpfen die Bayern-Fans umher und setzen einen
Blick der Marke „Ihr Luschen!“ auf. Wir bleiben ruhig. Ist ja noch Zeit.
22.16 Uhr
Ich kann kaum noch: Frische Luft tut gut. Inzwischen haben die Dortmunder
ausgeglichen. Es ist wieder alles offen. Im Sportlerheim ist es jetzt sehr
ruhig. Kaum jemand traut sich noch, dem anderen Fanlager böse Sprüche
an den Kopf zu hauen. Ich gehe wieder rein. Es muss irgendwie gehen.
22.33 Uhr
Schlussphase: Die Dortmunder werden immer müder. Also die Spieler. Wir
sind trotz fettiger Pizza, zahlreicher Chips und jetzt schon zwei Bier zu viel
noch munter. Und dann trifft Robben. Ins Tor der Dortmunder und mitten
in mein Herz. Die andere Seite des Sportlerheims bebt. Mir egal.
22.47 Uhr
Das war’s dann: Wir gratulieren artig und sind faire Verlierer. Irgendwie
haben es die Bayern ja auch verdient. Traurig starren wir auf die große
Leinwand, wo feiernde Bayern-Spieler gezeigt werden. Die rote Fankurve
starrt auch. Aber die gucken irgendwie glücklicher.
23.04 Uhr
Partyzeit: Irgendwo steigt ein Feuerwerk in die Luft. Ob das Bayernfans
sind oder der heutzutage übliche Abschluss einer jeden Geburtstagsfeier?
Wir wissen es nicht. Wir wissen nur: Es muss weitergehen. Für einige von
uns bei der Party im „Tivoli“. Mir persönlich reicht’s. Ich gehe schlafen.
Autor: Thomas Reibetanz (Freie Presse Freiberg, 27.05.2013)